· Machtmißbrauch ·
Über das Sabotieren der eigenen Kraft

ein Text von Johannes Alexander

Im Spiegelspiel der Welt, ist mir gestern eine Begegnung mit einem Menschen geschenkt worden, der mir ein sehr weit verbreitetes Thema aufgezeigt hat. Und ich bin sehr, sehr dankbar dafür, denn dieses Thema schwelt auch in mir schon seit Jahren vor sich hin.
Es scheint mir die Zeit für gekommen, Zügel wieder zu lockern und einen ganz besonderen Teil in mir zu rehabilitieren und mich vor Ihm in Dankbarkeit zu verneigen…


Was tun, wenn wir uns so fühlen, als hätten andere Macht über unser Leben, über unsere Entscheidungen oder über unsere Gefühle? Begehren wir auf? Fügen wir uns in ein vermeintliches Schicksal? Rufen wir laut „Nein!“ oder um Hilfe?

Mir ist bewußt geworden, daß es einen ganz anderen Weg gibt, um die Situation für mich zu entscheiden. Oder viel richtiger, um die Situation ins rechte Licht zu rücken. Und, wie könnte es auch anders sein, ist dieser Weg wieder denkbar einfach und kurz, wie alle anderen Wege auch, die direkt zurück in die Einheit mit einem Selbst führen.

Was ist, wenn alles in der Welt nur ein Spiegel meines eigenen Schöpfertums ist? Dann ist doch auch jede Art der Gewalt oder scheinbaren Autorität, die mich trifft und zu unterwerfen versucht, wenn ich im Opfer-Modus lebe, ein Ausdruck meines eigenen Glaubens oder meiner eigenen Befürchtungen.

Und was ist, wenn ich genau hinschaue? Spiegeln mir die Mitmenschen mit der Waffe in der Hand oder im Munde nicht nur meine eigene Gewaltbereitschaft? Unter was für Bedingungen sind wir bereit gewalttätig zu werden? Wenn wir glauben, daß wir uns schützen müssen? Wenn wir glauben, daß wir Recht haben? Wenn wir glauben, dass wir reifer sind und deshalb herrschen sollten?

In jeder Form der von Gewalt geprägten Begegnung kommen zwei Seiten ein und derselben Münze ans Tageslicht. Im Kino sehen wir meistens den Yang-Modus, also das Täterszenario, dieses Themas: Ein „Böser“ oder ein „Held“, der bis an die Zähne bewaffnet ist, läuft Amok. Der „Böse“ stirbt am Ende und alle werden als erleichtert dargestellt, weil er weg ist, der „Held“ aber überlebt und wird gefeiert.

Mit wem assoziieren wir uns im Kino?

Mit dem „Bösen“, der den Tod verdient zu haben scheint, weil man uns in der Vorgeschichte aufgezählt hat, was er alles falsch macht bzw. falsch gemacht hat? Weil er eine scheinbar zweifelhafte Moral vertritt, die hart mit dem eigenen scheinbar guten Werteverständnis kollidiert?

Oder mit dem Held, weil er so edelmütig scheint und immer die ganze Welt rettet, zumindest aber das unbeschmutzte Burgfräulein, was er als Preis, ja als Lohn für seine Mühen, mit nach Hause nehmen darf?

Sind sie nicht beide „gut“?

Ich für meinen Teil sehe, daß es keine schlechte Eigenschaft ist, eine Meinung konsequent zu vertreten, die man für wahr hält.
Das Problem kommt erst, wenn man eine Meinung für wahr hält, die aber, aus universeller Perspektive betrachtet, eben nicht wahr oder zumindest nicht ganzheitlich ist. Denn dann gibt man seine Energie einem Ungleichgewicht hin und baut es dadurch, wenn vielleicht auch unbewußt, weiter aus.

Für die „edelmütigen Helden“ unter uns erscheint das dann im Außen so, als vertrete so jemand die falschen Werte. Und hat er genug Angst, daß diese Disbalance Ihn selbst und das, wofür er steht, negativ beeinflussen könnte, geht er eben sein Schwert holen und bereitet sich auf einen Krieg gegen „das Böse“ vor. Und auch hier müßte ich sagen, dass es eine gute Eigenschaft ist, sich mit wachsenden Ungleichgewichten auseinandersetzen zu wollen.

Oder sind alle beide „böse“?

Ich finde, die beiden sind genau gleich „gut“ oder „böse“, denn sie stellen beide keinen wahren Frieden her. Beide wollen mit Gewalt, in den anderen „eingreifen“ aus Angst, der Wille des Gegenübers könnte sich durchsetzen.

Beide teilen die gleiche Angst, denn mal ehrlich: Wer will schon gern und unfreiwillig getötet werden – gewaltvoll, brutal, friedlos, lieblos? Also ich nicht. Ich will eigentlich überhaupt nicht getötet werden.

Was beide nicht gemacht haben, ist, Ihre eigenen Ziele und Meinungen wirklich auf Herz und Nieren zu prüfen und dadurch ihren Glauben in Wissen zu wandeln, sowie die Bereitschaft zu erlangen, alles Un- oder nur Halbwahre der ganzheitlichen Meinung des eigenen Herzens unterzuordnen.

Der eine arbeitet nur für die eigenen Ziele und achtet nicht auf das gesamte Gleichgewicht, während der andere glaubt, daß Gewalt zum Einen edelmütig wäre, wenn man sie nur für „die richtige“ Sache einsetzt, zum Anderen aber, daß Gleichgewicht mit Gewalt herzustellen sei.

Wahre Gewaltfreiheit ist aber ein Nebenprodukt der Bewußtmachung der universellen Wahrheit.

Den Täter in uns selbst sehen:

Wir leben in einer Gesellschaft, in der das Opfer verhätschelt und der Täter eingesperrt wird. Wer will da gern der Schuldige sein? Getröstet auf jemandes Schoß zu liegen ist ja auch viel nährender, als alleine in einer Zelle zu sitzen.

Niemand möchte bestraft werden, aber dennoch ist es so, daß wir alle Täter sind, wenn es um die Kreation unserer eigenen Lebensumstände geht. Und wir sind unvermeidlich auch diejenigen, die die Konsequenzen unseres Handelns oder Nicht-Handelns ertragen werden, ob wir dies nun wollen oder nicht.

Laßt uns, um den emotionalen Zugang zu unserem „inneren Täter“ zu erleichtern, auch einmal den negativ angehauchten Beigeschmack des Wortes „Täter“ etwas abmildern:
Ein Täter ist lediglich jemand, der etwas tut. Das kann gut sein oder auch nicht, gemessen daran, was man eben vorhat und wie weise man handelt.

Die scheinbare Unterwerfung:

Mir ist aufgefallen, daß sehr viele Menschen sehr vorsichtig sind, wenn es um das Anerkennen und das Freilassen, des „Täters“ geht. Das betrifft, meiner Ansicht nach, genau jene Menschen, die sich, bewußt oder unbewußt, an eigene Erfahrungen erinnern können, in denen sie Ihre Macht verantwortungslos einsetzten, dies erkannten und sich nun reglementieren, um so etwas nicht noch einmal geschehen zu lassen. Sie unterdrücken einen Teil in sich, anstatt diesen zu heilen.

Leider verbaut man sich dadurch den Weg, maßvoll zu agieren und es bleibt nur eine Möglichkeit offen: Das „Sich passiv in alles Fügen“. Sie werden zu Opfern, bis sie eine weise Balance zwischen aktivem Handeln und passivem Geschehenlassen gefunden haben.

Als Spiegelpartner im Außen kommen dann scheinbare Autoritäten auf uns zu, die über unseren Willen hinwegzugehen scheinen. Sie erinnern uns an unseren eigenen damaligen Machtmissbrauch und aber vor allem an unsere eigene Selbstunterdrückung, die wir in uns tragen, weil wir nicht wollen, daß wir wieder Schaden anrichten.

Wir haben selbst den Täter ins Gefängnis geworfen und ihm jedwede Handlungsfähigkeit entzogen und nun können wir, weil wir ihm ja auch noch nicht gelernt haben, wie man mit Macht heilvoll umgeht, auch nicht von seiner Stärke profitieren, die er im geheilten Zustand hätte:

Nämlich zu den äußerlichen Unterwerfungsversuchen auf eine Art und Weise „Nein“ zu sagen, die kein zusätzliches Leid verursacht.

Selbstvergebung:

Wenn wir den Täter in uns nicht länger verurteilen, sondern seiner Geschichte zuhören, dann bemerken wir, wenn wir achtsam sind, an welchem Punkt er die Verbindung zur Herzensliebe verloren hat.

Und während mir, beim Schreiben dieser Zeilen selbst vor lauter Rührung die Tränen die Wangen herunterkullern, weil ich gerade spüre, wie ich mich selbst wieder, nach langer Zeit endlich, freispreche, macht sich eine neue Erleichterung und Dankbarkeit breit.

Auch ich war schon liebloser Täter und Opfer aus und mit Angst vor übergriffiger Gewalt. Aber es ist nun nicht mehr nötig, einen Knüppel schnitzen zu gehen, um das vermeintliche „Böse“ zu jagen und unter dem Jubel einer angsterfüllten Masse heldenhaft ein Drachen zu töten und mich feiern zu lassen, nur um dann zu entdecken, daß meine Angst nach wie vor im Untergrund schwelt.

Ich höre viel lieber anteilnahmsvoll den Ursachen meines lieblosen Handelns zu und hinterfrage die Aufrichtigkeit in meiner Opferbereitschaft, übernehme Verantwortung für meine Vergangenheit, meinen damaligen Mangel an Weisheit und dem darausfolgenden unangemessenen Verhalten.

Ich stelle mich vor einen Spiegel und sage: „Es tut mir leid. Ich lasse Dich wieder frei.“

Täter und Opfer sind in Wahrheit eins:

In dem Maß, wie wir das Opfer in uns gedeihen lassen, wird uns auch der Täter im Außen begegnen. Die Welt, in der wir leben, verlangt nach liebevollem Ausgleich und das liebevollste, wenngleich mitunter schwer verdaulichste, was man einem Mensch in Opferrolle schenken kann, ist eine Möglichkeit, ihn an die weggesperrten Teile zu erinnern, die sich in seinen inneren Kerkern nach Wärme und Vergebung sehnen.

Wenn wir zu der Weisheit gelangt sind, daß wir uns selbst zum Opfer gemacht haben, als wir unsere inneren Täter bestraften, wir uns aber genau seitdem unbeschützt und haltlos fühlten, dann wird auch offensichtlich, daß wir, uns als Opfer wähnend, genau in diesem angsterfüllten Affekt auch zum Täter wurden, als wir Dinge getan haben, die sich eigentlich gegen uns selbst richteten.

Alle Gefühle der Schutzlosigkeit oder des „Sich nicht Gehalten fühlens“ lösen sich in dem Moment auf, in dem wir innehalten und genau hinspüren, anstatt uns selbst zu richten. Der Weg wird wieder frei für Weiterentwicklung.

Wie innen, so außen:

Und weil wir in diesem Moment aufhören, uns selbst Schaden zuzufügen, wird, nach den Regeln des Universums, auch in der äußeren Welt keiner mehr an unsere Türe klopfen und uns Grausamkeiten spiegeln.

Wir haben dann wieder Zeit und Raum unsere inneren Geschichten zu hören, Verständnis und Mitgefühl zu üben und uns dadurch zu wandeln, bis alles, was wir empfangen und weitergeben, von ganzheitlicher Liebe getränkt ist.

Auf diese Weise fallen wir in jene liebevolle Ordnung zurück, die schon immer da war und leben in Frieden und Freude. Und Mittags gibt es Eierkuchen. 🙂


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